Nun gut, dann erzähl ich mal...
Zum Reiten bin ich bereits im Alter von etwa 11 bis 12 Jahren gekommen.
Wie mich so richtig das Fieber gepackt hat kann ich heute nicht mehr sagen, aber wahrscheinlich war es bei mir nicht anders als bei vielen kleinen Mädchen.
Pferde grasend auf einer Koppel waren für mich immer schon ein magischer Anziehungspunkt, bis heute. An keinem Pferd das auf einer Koppel stand konnte man vorbei gehen ohne daß man stehen blieb und ihnen den zuvor von der Mama daheim gemopsten Zucker (damals wußte man ja noch nicht daß Zucker eigentlich nicht sehr gut ist für Pferde) hingehalten und verfüttert hat. Dabei dem Pferd über die Nase zu streicheln war dabei natürlich das Highlight.
Wenn kein Zucker dabei war wurden einfach Grasbüschel in riesigen Mengen abgezupft und versucht Gras gegen Streicheln einzutauschen.
Den ersten Reitstall besuchte ich in Starnberg. Dort lernte ich die Grundlagen fürs Reiten.
Ich kann mich noch genau daran erinnern. Sehr zum Leid von meinem Daddy begann die wöchentliche Reitstunde um vier Uhr nachmittags. Allerdings kam mein Vater erst kurz vor halb vier aus der Arbeit. Ich erwartete ihn jede Woche bereits draußen um dann ins Auto zu springen damit wir es mehr recht als schlecht pünktlich in den Stall schafften.
Drei Schulpferde gab es an der Zahl, die natürlich bereits alle immer schon vergeben waren. Für mich im Nachhinein gesehen ein absoluter Glücksfall da ich fast jedesmal auf einem Privatpferd am Unterricht teilnehmen durfte. Das Privatpferd hieß Snoopy und war ein braver Apfelschimmelwallach. Rasse keine Ahnung, ich denke mal ein Warmblüter.
Ich machte auf Snoopy recht schnell Fortschritte und er zeigte mir, im Gegensatz zu vielen Schulpferden, sehr schnell wenn meine Hilfegebungen nicht korrekt ausgeführt wurden, denn dann ging gar nichts mit ihm.
Ich denke mal es verging so ca. ein Jahr in diesem Reitstall bis ich dort nicht mehr reiten wollte. Grund dafür war der Wechsel des Reitlehrers, der mit seinen eigenen Methoden, wie etwa mit Sand nach den Pferden werfen wenn etwas nicht nach seinen Vorstellungen lief oder gar mit der Longierpeitsche nach den Pferden schwingen um sie in Trab zu halten, uns Kindern eher das Fürchten vor der nächsten Reitstunde lehrte als noch Spaß daran zu haben.
Durch meine damalige Freundin wechselte ich dann in einen anderen Reitstall in dem ich dann etwa vier bis fünf Jahre blieb.
In dieser Zeit lernte ich Dressur, Springen und auch Geländeritte waren an der Tagesordnung.
Was ich in den Stunden bis heute sehr gut und am effektivsten fand... es gab kein Abteilungsreiten, jeder konnte mit seinem Pferd allein in der Halle oder auf dem Platz reiten. Dennoch hatte unsere Reitlehrerin jeden von uns genau im Auge und korrigierte was zu korrigieren war.
Ich denke sehr gerne an diese Zeit zurück, für mich war es DER STALL schlechthin.
Leider zog dieser Stall - wegen Ende des Pachtvertrages - weit weg sodaß ich erstmal eine Pause einlegte. Auch war ich in dem Alter wo mich allmählich andere Dinge mehr interessierten als Pferde. Weggehen und Partymachen waren nun mein Alltag.
Trotzdem haben mich die Pferde nie losgelassen und nach vielleicht zwei Jahre begann mein Wunsch immer größer zu werden wieder auf ein Pferd zu steigen.
Reitbeteiligung war das was mir vorschwebte. Die nächsten Jahre hatte ich immer mal wieder ein Pferd daß ich pflegen und reiten durfte, Pferde verschiedenster Rassen, von Fjordpferden, Hafis bis hin zu einem Galopper.
Die letzte "Reitbeteiligung" hatte ich auf einer Haflingerstute und auf einer russischen Reitpferdestute. Dies war aber mehr als nur eine Reitbeteiligung, da ich diese Pferde zusammen mit dem Besitzer pflegte, den Stall mistete und und und... jeden Tag.... in der Früh vor der Arbeit und abends nach der Arbeit.
Die Bindung zu diesen zwei Pferden wurde im Laufe der Zeit sehr stark so daß es schon eigentlich fast so war als wären es meine eigenen.
Nach ca. zwei Jahren intensiver Pflege und Fürsorge der beiden fragte ich den Besitzer ob er etwas dagegen hätte wenn noch ein Pferd bei ihm stehen würde. Der Wunsch nach einem eigenen Pferd war mittlerweile ins Unendliche gestiegen. Anja und Lady waren zwar wie meine eigenen Pferde dennoch... die wichtigen Entscheidungen wie Pflege, Haltung und Reiten entschied nicht ich sondern der Besitzer.
Wir besprachen die ganze Sache und dann stand fest... wenn ich mir ein eigenes Pferd kaufe kann ich es dort unterstellen.
Prima, der Startschuß für die Pferdesuche war gefallen.
Ich suchte, schaute mir einige verschiedene Pferde an, ritt Probe, sagte letztenendes wieder ab. Es war nicht einfach für sich ein passendes Pferd zu finden. Irgendetwas paßte am Ende immer nicht. Entweder waren die Pferde zu jung, zu alt, waren für meine Zwecke (als Freizeitreiter) nicht geeignet, zu teuer und und und....
Dann versuchte ich es mit einem eigenen Inserat in der Zeitung. Mir war klar ich wollte etwas in der Richtung Haflinger, Tinker, Fjord.... ein robustes Gelände- und Freizeitpferd mit dem ich durch dick und dünn gehen kann.
Dann ein Anruf von Andrea. Sie war Besitzerin von einer reinen Haflingerstute und einer Araber-Haflingerstute. Sie wollte sie verkaufen da sie, bedingt durch ihren großen Hof, nicht mehr die nötige Zeit aufbringen konnte sich genügend um ihre Pferde zu kümmern.
Also vereinbarten wir einen Termin zum Anschauen und Probereiten.
Wir kamen bei dem Hof an (der Besitzer von Anja und Lady und dessen Tochter waren auch mit von der Partie), wurden freundlich begrüßt und dann ging es zu den beiden Pferden.
Schon von weitem sah ich die beiden und sagte sofort: Nein, das ist nicht das was ich mir vorstelle. Die reine Haflingerstute habe ich sofort abgeschrieben. Sie war mir viel zu kräftig, Kaltblutmaße, und gefiel mir überhaupt nicht, obwohl sie sicher auch ein tolles Pferd war entschied ich mich sofort gegen sie.
Dann war da noch die andere Stute, Lola ihr Name. Man war die dick. Ich glaube ich habe noch nie so einen dicken Araber-Haflinger gesehen wie sie. Auch bei ihr war ich anfangs überhaupt nicht begeistert und wollte eigentlich auch gar nicht Probereiten. Für mich war die Sache irgendwie schon erledigt. Dennoch ließ ich mich überreden Lola probezureiten.
Andrea erzählte mir alles von Lola, und so wie sie erzählte - ich hatte ja mittlerweile schon meine Erfahrungen gemacht von Händlern die mir zum Teil das Blaue vom Himmel runtererzählten was denn sie für Traum- und Toppferde hätten - wurde mir Lola etwas "schmackhafter" gemacht.
Andrea erzählte ehrlich über die guten und "schlechten" Seiten von Lola. Daß sie ein sehr gutmütiges Pferd sei aber dennoch wahnsinnig viel Pfeffer im Hintern hat. "Und wenn die mal läuft dann läuft sie!" waren ihre Worte die mir im Gedächtnis blieben.
Genau mit dieser Einstellung stieg ich auf Lola - man bemerke die Dummheit von mir Lola, ein fremdes Pferd, beim ersten Mal Probereiten auf der Wiese hinterhalb des Hofes nur mit einem kleinen Reitgurt, ohne sicheren Sattel, Steigbügel oder sonstiges zu besteigen.
Naja es kam wie es wohl kommen mußte... ich stieg auf Lola, ritt erst mal die ewig lange Wiese im Schritt und Trab weg vom Hof. Sie wollte nicht recht weg vom Stall und ich hatte ein wenig Mühe sie dorthin zu kriegen wo ich hinwollte.
Am Ende der Wiese, sicher so etwa 600 - 700 Meter weg vom Stall machte ich kehrt. So.... nun kam mir der Satz von Andrea wieder in den Kopf... "Wenn die mal läuft dann läuft sie!" Also machte ich mich schon mal auf einen rasanten Galopp bereit.
Ich galoppierte an. Lola pretschte auch sofort los. Eigentlich super... worauf ich allerdings überhaupt nicht gefaßt war - bedingt durch den Satz "Wenn die mal läuft dann läuft sie!" - war daß Lola nach ca. 30 Meter auf einmal stehenblieb. Von 100 auf Null in einem Bruchteil einer Sekunde. Völlig überraschend.
Ich flog in einem Riesenbogen über ihren Hals, landete recht unsanft im Gras (die Weste die ich anhatte habe ich bis heute nie wieder richtig sauber bekommen) und Lola rannte voller Freude sich der Last auf ihrem Rücken entledigt in ihren Stall zurück.
Nachdem ich mich wieder aufgerappelt hatte stapfte ich zu Fuß und mißmutig über meine Niederlage zurück zu den anderen. Das Gelächter war natürlich, nachdem sich alle vergewissert hatten daß mir nichts passiert war, auf meiner Seite.
Auch Andrea lachte und entschuldigte sich gleichzeitig für Lola. Das hätte sie noch nie gemacht. Bla bla bla.... sowas kann man immer sagen. Ich war richtig angefressen und sauer über mich selber wie man nur so doof sein kann und ein fremdes Pferd beim ersten Mal ohne Sattel zu reiten.
Naja nach meiner reiterlichen Niederlage und den Überredungsversuchen von Andrea daß ich es mir mit Lola doch noch durch den Kopf gehen lassen soll fuhren wir wieder Richtung Heimat.
Ich fand dieses Pferd fürchterlich, es war dick, nein es war fett und war auch sonst toootal doof. Trotzdem ging mir Lola nicht aus dem Kopf. Irgendwas hatte sie doch an sich daß mir an ihr gefiel. Waren es die lieben und gutmütigen Augen? War es der Sieg den Lola beim ersten Aufeinandertreffen für sich verbuchte? Ich weiß es nicht.
Und auf einmal war es für mich völlig klar. Dieses Pferd, welches mir den ersten Sturz seit Jahren wieder bescherte, dieses dicke Pferd mit dem gut- und sanftmütigen Blick wollte ich haben.
Ich rief Andrea an und teilte ihr meine Entscheidung mit. Sie freute sich so sehr weil sie schon mit einer Absage von mir rechnete.
Ich holte Lola ein paar Tage später ab und brachte sie in ihr neues Zuhause. Juhuu nun war ich endlich Pferdebesitzerin. Das alles ist nun fast drei Jahre her. Mittlerweile hat sie normale Körpermaße angenommen und ist auch sonst für mich mein absolutes Traumpferd.
Ich habe meine Entscheidung an keinem einzigen Tag bereut. Sie nimmt nichts übel, ist nicht nachtragend. Sie ist eine Seele von Pferd auch wenn sie zum Teil sehr stur werden kann wenn ihr was gegen den Strich geht. So manche "Diskussion" habe ich schon mit ihr geführt.
Es hat ungefähr ein Jahr gedauert bis wir zwei uns gut zusammengerauft haben. Am Anfang lief nicht immer alles reibungslos ab. Mißverständnisse, Sturheit auf beiden Seiten ließen unsere Ritte desöfteren etwas deprimierend abschließen. Aber letztenendes haben unsere vielen Stunden der Zweisamkeit und des Übens uns zu einem super Team zusammenwachsen lassen. Lola kann sich auf mich verlassen und ich kann mich auf Lola verlassen.
Im Gelände ist sie ein absolutes Verlaßpferd. Sie hat Power hoch zehn, vor allem wenn wir allein unterwegs sind. Auch wenn sie vor lauter Übermut in vollem Galopp zu buckeln anfängt oder davon schießt daß man meinen könnte man kriegt dieses Pferd nicht mehr zum Stehen fühle ich mich absolut sicher und wohl auf ihr.
Mittlerweile kenne ich ja ihre kleinen aber liebenswerten Macken, und mal ehrlich, welches Pferd hat sie nicht... aber gerade diese kleinen unvorhersehbaren Dinge machen sie so liebenswert.
Sie ist ein Pferd genau für mich gemacht. Gutmütig aber mit eigenem Dickschädel, ein Verlaßpferd aber mit viel Pfeffer im Hintern. Und genau diese Mischung machen Lola für mich unbezahlbar. Gestürzt bin ich auf ihr nie mehr * . Und den Sturz von damals hat sie auf tausendfache Weise schon lange wieder wett gemacht.
Lola ist jetzt 16 Jahre alt und erfreut sich bester Gesundheit. Und ich wünsche mir daß ich noch viele, viele tolle Jahre mit ihr haben werde, denn hergeben werde ich sie nie mehr.
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